Mobilitätskonzept
Die zehn Gemeinden der Birsstadt (Aesch, Arlesheim, Birsfelden, Dornach, Duggingen, Grellingen, Münchenstein, Muttenz, Pfeffingen und Reinach) entwickeln sich dynamisch. Die geplante Siedlungsentwicklung in der Birsstadt führt gemäss Raumkonzept 2016 zu einem bedeutenden Zuwachs der Bevölkerung und der Arbeitsplätze. Die Gemeinden wollen das geplante und erwartete quantitative Wachstum in einer für die Bevölkerung und die Umwelt erträglichen Weise gestalten. Dies betrifft in besonderem Masse den Umgang mit der Mobilität. Das vorliegende Mobilitätskonzept übernimmt die Aufgabe, die Mobilitätsnachfrage für die geplante Siedlungsentwicklung zu quantifizieren und die Verkehrsentwicklung bestmöglich zu steuern. Diese Steuerung wird ermöglicht durch ein griffiges Massnahmenpaket.
Gemäss dem massgebenden Szenario «2040 hoch» im Gesamtverkehrsmodell (GVM) Region Basel wird im gesamten Birsstadt-Perimeter die Bevölkerungszahl bis 2040 auf ca. 108’000 Personen zunehmen (+19 % gegenüber 2016), die Arbeitsplatzzahl auf ca. 55’000 (+17 %). Einige Achsen des Strassennetzes in der Birsstadt sind heute zumindest zu den Hauptverkehrszeiten gut ausgelastet, zeitweise überlastet. Dies führt zu einer starken Trennwirkung, zur Beeinträchtigung der Aufenthaltsqualität sowie zu Zeitverlusten für den öffentlichen Verkehr und den Individualverkehr. Zudem weist heute die Bahninfrastruktur zu den Hauptverkehrszeiten eine weitgehend ausgeschöpfte Beförderungskapazität auf und punktuell sind auch die Tram- und Buslinien stark ausgelastet. Mit der erwarteten Siedlungsdynamik werden sich die Mobilitätsprobleme im Raum deshalb ohne steuernde Gegenmassnahmen verschärfen.
Die Siedlungs- und die Aufenthaltsqualität, der Lebensraum sowie die Landschaft und die Natur sollen durch den Verkehr möglichst wenig beeinträchtigt werden. Folglich soll die Entwicklung in Richtung einer flächen- und ressourceneffizienten Mobilität gehen. Das Ziel ist daher primär die Förderung kurzer Wege, des öffentlichen Verkehrs und des Fuss- und Veloverkehrs sowie der vernetzten Mobilität. Dadurch soll eine siedlungs-, umwelt- und naturverträgliche Gestaltung des Verkehrsaufkommens erreicht werden. Die Zunahme des motorisierten Individualverkehrs (MIV) ist hingegen insbesondere in Gebieten und für Strecken mit geeigneten Alternativen zu begrenzen. Für Nutzergruppen, welche auf die MIV-Nutzung angewiesen sind, müssen jedoch ausreichende Kapazitäten sichergestellt werden. Da die Belastbarkeit des Strassennetzes bereits heute vielerorts innerhalb der Birsstadt erreicht oder überschritten wird und nur punktuelle Ausbauten der MIV-Kapazitäten erfolgen sollen, ist die Plafonierung des MIV-Aufkommens bei gleichzeitig steigendem Gesamtverkehrsaufkommen ungefähr auf dem heutigen Niveau anzustreben. Dementsprechend müsste sich der Anteil des MIV am Gesamtverkehr von ca. 49% (2016) auf ca. 42% (2040) reduzieren.
Für den Birsstadt-Raum bestehen bereits verschiedene übergeordnete Planungen für Verkehrsinfrastrukturmassnahmen. So erhält u. a. die Autobahn A18 in Aesch einen Vollanschluss, die S-Bahn-Angebote sollen auf einen Viertelstundentakt verdichtet und mit der neuen Haltestelle «Apfelsee» das Haltestellennetz erweitert werden. Zusätzlich sollen attraktive Velovorzugsrouten entstehen.Mit den übergeordneten Massnahmen können die gesetzten Ziele aber nicht erreicht werden. Zusätzlich sind Massnahmen in den Bereichen Gesamtmobilität, Fuss- und Veloverkehr, öffentlicher Verkehr sowie motorisierter Individualverkehr notwendig. Dabei werden unter «Gesamtmobilität» unter anderem vielfältige Massnahmen zur Planung und Realisierung von verkehrsreduzierten Entwicklungsgebieten, zur Etablierung von betrieblichem Mobilitätsmanagement, zum Erlass griffiger Parkierungsreglemente sowie die Fokussierung der Siedlungsentwicklung auf Knoten und Korridore des öffentlichen Verkehrs verstanden. Fast alle Massnahmen haben organisatorischen, planerischen oder kommunikativen Charakter und vermeiden grossenteils bauliche Interventionen. Der Fokus auf wirksame und aufeinander abgestimmte Massnahmen war zentral bei der Erarbeitung. Die Massnahmen sollten rasch initiiert werden, damit die langfristigen Wirkungsziele wie auch kurzfristige Erfolge erreicht werden können.
Die Einbindung der geplanten Massnahmen im Gesamtverkehrsmodell (GVM) der Region Basel zeigt, dass das geschnürte Massnahmenpaket die gewünschte Wirkung erzielt: Mit den Massnahmen des Mobilitätskonzepts Birsstadt liegt das MIV-Aufkommen in der Birsstadt auch am Ende des Untersuchungszeitraums im Jahr 2040 in absoluten Zahlen ungefähr auf dem heutigen Niveau, während beim ÖV sowie beim Fuss- und Veloverkehr ein starkes Wachstum erfolgt. Der Modal-Split als relative Verteilung der Verkehrsarten kann somit in die gewünschte positive Richtung verschoben werden. Ohne Birsstadt-Massnahmen – im Szenario Basis (2040 hoch) – nimmt das MIV-Aufkommen gegenüber dem heutigen Niveau hingegen markant zu:
Das Ziel, das zusätzliche Verkehrsaufkommen möglichst siedlungsverträglich abzuwickeln und den MIV-Anteil am Gesamtverkehr auf künftige 42% zu beschränken, wird erreicht. Dabei ist festzuhalten, dass die Ziele nur durch die Kombination aus den bis 2040 gesicherten übergeordneten Massnahmen und den Massnahmen aus dem Mobilitätskonzept erreicht werden können. Die Modellierung unterstreicht zudem, dass eine starke planerische Abstimmung von Siedlung und Verkehr für die Zielerreichung entscheidend ist. Die Siedlungsentwicklung und -verdichtung muss primär an gut mit dem öffentlichen Verkehr erschlossenen Lagen erfolgen. Zudem ist eine gute Nutzungsdurchmischung zu fördern. Eine Schlüsselmassnahme für Entwicklungsgebiete ist die Reduktion des Parkplatzangebots. Die öffentlichen Parkplätze werden durch eine systematische Bewirtschaftung insbesondere an zentralen Lagen weniger attraktiv, wodurch kürzere Wege vermehrt zu Fuss oder mit dem Velo statt mit dem Auto zurückgelegt werden.
Viele der Massnahmen – vor allem im Bereich der Siedlungsentwicklung und -verdichtung – entfalten ihre Wirkung erst über längere Zeiträume. Um eine ausreichende Wirkung zu erzielen, müssen sie zeitnah angegangen und als Daueraufgabe verstanden werden. Nur so können die für 2040 gesteckten Ziele erreicht und auch darüber hinaus eine nachhaltige Wirkung der Verkehrsentwicklung erzielt werden.
Eine wesentliche Erkenntnis des Mobilitätskonzepts ist, dass die Gemeinden der Birsstadt grosse Handlungsmöglichkeiten haben, insbesondere weil die Art und Weise der Siedlungsentwicklung für das künftige Verkehrsaufkommen im Untersuchungsraum ganz zentral ist. Durch erstmalige Modellierungen im grossen Massstab im GVM der Region Basel kann gezeigt werden, dass die vorgeschlagenen (meist «nicht-baulichen») Massnahmen eine massgebliche Wirkung und positive Verschiebung im Modal-Split zeigen. Durch die konsequente Umsetzung der entwickelten Massnahmen und Ausnützung der Handlungsspielräume kann ein Verkehrskollaps in der Birsstadt abgewendet werden. Wenn die Gemeinden die ihnen gegebenen Möglichkeiten aktiv nutzen, öffnet sich die grosse Chance, die Belastung durch den Verkehr zu plafonieren und dadurch qualitativ hochstehende Wohnumfelder, lebenswerte Quartiere und belebte Zentren weiter zu fördern und teilweise neu zu entwickeln. Dies dient der nachhaltigen Entwicklung der Birsstadt und ihrer Gemeinden in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht.
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